Es lagen noch viele Kilometer bis zur mongolischen Grenze vor uns, die wir eigentlich bis zum Ende dieses Tages geschafft haben wollten. Schon am Vorabend wurde uns aber klar, dass wir das selbst mit unserem straff durchgezogenen Fahr-Programm und reduziertem Schlaf nicht schaffen würden. Das bereitete vor allem Marc einige Sorgen, da wir bei der Einreise nach Russland auf so ein kleines Zettelchen eingetragen hatten, wir würden bis zum 12.08. wieder ausreisen. Natürlich besaßen wir noch das eigentliche Visum in unseren Reisepässen, welches sogar bis zum 19.08. gültig war. Trotzdem wussten wir nicht, wie wichtig dieses bürokratische Beiwerk im A7 Format für die Grenzwärter sein würde – also beeilten wir uns. Nicht dass wir uns noch mit Gefängnis und jahrelangem Einreiseverbot rumschlagen mussten was die übliche Vorgehensweise bei Überschreitung des russischen Visums ist…
Aus diesem Grund klingelte uns der Wecker nach einer viel zu kurzen Nacht um 5 aus dem „Bett“ und wir entknoteten unsere Arme und Beine aus einer unbequemen Schlafposition. Dann wollten wir los, aber unser Schalter zur Benzinpumpe war offensichtlich noch nicht in der Stimmung. Mehrere Male versuchten wir den Motor zu starten, aber nach einem kläglichen Stottern ging er immer wieder aus. Ein bisschen Panik verbreitete sich schon, da unsere Autobatterie die vielen Fehlstarts nicht lange mitmachen würde. Also baute Marc den Schalter aus und stellte einen direkten Kontakt zwischen den beiden Kabelenden her. Ein monotones Brummen war zu hören und wir konnten endlich starten. Eigentlich sollte ich fahren, damit sich Marc von seiner langen Fahrt vom Vortag noch etwas ausruhen konnte, aber nun waren wir beide hellwach. Also übernahm er vorerst das Steuer und wir rollten, eine dreiviertel Stunde später als geplant, in den Sonnenaufgang. Später bauten wir den Schalter wieder zwischen Pumpe und Batterie. Nun wussten wir, dass es dem 40 Jahre alten Bauteil einfach zu kalt gewesen war und wir ihn nun bei jedem frühem Start etwas mit der Hand aufwärmen und ihm gut zusprechen mussten… Das beruhigte ungemein…
Als die Sonne fast vollständig aufgegangen war, fuhren wir direkt in eine Nebelwand. Wir konnten kaum 50 Meter weit sehen und drosselten unser Tempo. Plötzlich begannen wir ziemlich zu holpern, was wir im ersten Moment auf die Straße schoben, die wir ja kaum sehen konnten. Dann merkten wir aber, dass es an etwas anderem liegen musste, also hielten wir an.
Das fehlte uns zur ganzen Aufregung noch: Unser Auto hatte einen Platten. Natürlich wieder vorne rechts, der angeschlagene Stoßdämpfer war schuld. Wir holten unser, in Kasachstan repariertes, Wechselrad vom Dach und ersetzten das eingedellte damit. Da dem Reifen ein bisschen Luft fehlte, ließen wir ihn im nächsten Dorf wieder aufpumpen. Dann konnten wir ohne Probleme weiterfahren, natürlich mit regelmäßigem Fahrerwechsel. Die Strecke bis nach Irkutsk änderte sich nicht wesentlich zum Vortag. Während links und rechts die Bäume und Wälder an uns vorbeirauschten, navigierten wir unseren Twingo wieder über gute bis sehr schlechte Straßen, also „Straßen“.
Es war schon dunkel, als wir in Irkutsk ankamen und wir wurden von einem Lichtermeer empfangen. Die Größe der Stadt konnten wir ganz gut erahnen, da wir über eine halbe Stunde fuhren, um vom Ortseingangsschild bis zu den ersten Häusern der Stadt zu kommen. Näher erkunden konnten wir Irkutsk allerdings nicht, da uns die Zeit im Nacken saß. Also begann die Suche nach dem richtigen Weg weiter Richtung Osten. Bis wir den gefunden hatten, verging wieder eine Stunde. Je weiter wir an den Stadtrand kamen, desto schlechter wurden die Straßen und unser Stoßdämpfer begann mal wieder beunruhigende Knackgeräusche von sich zu geben. An der nächsten Tankstelle besorgten wir uns einen Energydrink, der uns wenigstens noch ein Stückchen die Augen offen halten sollte. Tatsächlich hielt er uns vorerst wach und Marc schaffte es im Dunkeln über unbeleuchtete Bergstraßen und vorbei an einem mitten in der Kurve umgekippten LKW ein paar Kilometer weiter. Dann überkam uns schlagartig die Müdigkeit und wir stellten uns wieder auf einen Parkplatz. Leider leuchteten uns die Laternen direkt ins Auto, was uns eine noch unerholsamere Nacht versprach als die davor.