Tag 33: Mongolei


In der Nacht prasselte der Regen mächtig auf die Zelte, doch am nächsten Morgen lichtete sich der Himmel und wir konnten im Trockenen frühstücken. Zusammen mit dem Nissan Micra fuhren wir noch bis zur nächsten Stadt, um danach verschiedene Richtungen einzuschlagen. Während wir erstmal nach Süden Richtung Hauptstadt und von da aus in den mongolischen Westen wollten, entschied sich das Pärchen schon eher abzubiegen. Bevor wir uns allerdings wieder trennten, mussten wir noch zwei Mautstationen passieren und die ersten mongolischen төгрөг (sprich = “Tögrög“) abheben. Nachdem wir uns noch gemeinsam durch den unübersichtlichen Verkehr gekämpft hatten, fuhren Marc und ich wenig später wieder alleine. Es war echt schön hier in der Mongolei, die Straßen waren besser und die Landschaft viel grüner als erwartet. Und überall standen die Jurten, umringt von ihren Schaf- und Ziegenherden.
Wenig später war es dann soweit: Nach viereinhalb anstrengenden und unglaublich abenteuerlichen Wochen tauchte das Ortseingangsschild von Ulaanbaatar vor uns auf!!! Das Ziel, was wir die letzten Wochen immer vor Augen hatten. Das Ziel, was laut Statistik jedes Jahr nur 2/3 aller Mongol Rally Teams erreichten. Das Ziel, was uns eine drittel Weltumrundung von unserer Heimat trennt. Das Ziel, für welches wir uns auf eine unberechenbare und waghalsige Reise eingelassen hatten und das uns nun ein unbeschreibliches Gefühl von Sieg und Erleichterung bringen würde… Wären wir nicht in diesem Moment daran vorbei gefahren… :)
Klingt ein bisschen verrückt (ist es auch), aber wir wollten noch ein wenig von der Mongolei sehen, ehe wir uns an der Ziellinie ausruhen konnten. So ging es Richtung Westen, die Zieleinfahrt verschoben wir auf den übernächsten Tag. Wie wir erwartet hatten, kamen uns sogar ein paar Rally Autos, die sich die letzten Tage durch die Wüste Gobi gekämpft hatten, entgegen. Man begrüßte sich mit Hupkonzerten. Dann tauchte ein weiteres Auto vor uns auf, das uns sehr bekannt vorkam! Die beiden Niederländer Jan und Armand (vom Team Bonné+Jan) standen nun wieder vor uns, nachdem wir uns in Samarkand von ihnen verabschiedet hatten! Was für ein unglaubliches Wiedersehen, wir freuten uns riesig, dass auch für sie die Mongol Rally erfolgreich war – wenn auch mit Verzögerung (vier Tage Wartezeit an der Westgrenze) und den obligatorischen Stoßdämpfer-Problemen in der Wüste. Nichts desto trotz, auch ihr Auto hat sich wacker geschlagen und die zwei sahen ein bisschen gebeutelt, aber glücklich aus! :) Von ihnen erfuhren wir noch, dass eines der Autos vom schwedischen Team Venture den Geist aufgegeben hatte und sie nun zurücklagen. Dann trennten sich unsere Wege wieder, auf Jan wartete seine Familie, die schon vor zwei Tagen in UB gelandet war. Für uns bestand die nächste Mission wieder aus Schlafplatzsuche. Da ich etwas von der mongolischen Kultur erleben wollte, hielten wir nach Touristen-Jurten-Camps Ausschau. Bald fanden wir ein ziemlich verrostetes Schild, was eben dieses versprach und wir bogen auf einen Feldweg ein. Sobald wir den Motor vom Twingo ausgemacht hatten, kam auch schon eine ältere Frau aus der schicken Behausung. Sie war sehr freundlich und als wir mit Handzeichen nach Schlafen und Essen fragten, zeigte sie uns die Stelle, an der wir unser Zelt aufschlagen durften und lud uns zu sich in die Jurte ein. Ich versuchte noch schnell die am Anfang der Rallye gelesene Nomaden-Knigge ins Gedächtnis zurückzurufen, ehe wir der Gastgeberin folgten – Natürlich ohne auf die Türschwelle zu treten, wie es sich gehörte. Uns wurde auf der linken Seite der Jurte eine Sitzmöglichkeit angeboten, die rechte Zeltseite ist der Familie vorbehalten. Während die Frau uns Tee einschenkte und Gebäck auftischte, versuchte uns ihr betrunkener Mann etwas zu erklären und uns seine Pfeife anzubieten. Höflich lehnten wir ab, nur das gereichte Essen und Trinken, das sollte wenigstens gekostet werden. Die Kekse waren zwar trocken aber nicht schlecht. Der Tee etwas säuerlich, was aber garnicht so übel schmeckte. Aber dann wurde das Nationalgetränk Айраг (= Ayrag) eingeschenkt. Die vorher schon gefürchtete fermentierte Stutenmilch wurde nun zum Mund geführt. Wir nippten beide kurz: Wie erwartet schmeckte sie… nicht sehr gut :D Eben wie alkoholische Buttermilch. Schnell reichten wir die Teeschale weiter. Dann war es an der Zeit unser Zelt aufzubauen. Während wir die Schlafutensilien aus dem Auto kramten, tauchten immer mehr Familienmitglieder auf. Sie kamen aus den anderen Jurten, die in der Nähe der eben besuchten Hauptjurte standen. Sofort waren ungefragt mindestens sechs weitere Hände am Werk und unser Zelt war in Nullkommanichts aufgebaut. Die Menschen waren sehr hilfsbereit, nur wussten wir nicht so recht, ob wir wirklich willkommen waren. Aus ihren Gesichtern konnte man nicht viel ablesen. Nach dem Zeltaufbau lud man uns sofort in die nächste Jurte ein, wo es wieder Ayrag gab – Kurz genippt und weitergereicht… Außerdem bot man uns einen Snack an, der vom Aussehen her an Kekse erinnerte. Da ich mich auf was Süßes freute nahm ich ein Stück und biss genüsslich zu. Allerdings knabberte ich gerade an einem Etwas, das nach altem Parmesankäse schmeckte und dessen Geruch noch den ganzen Abend an meinen Händen kleben würde. Puh, damit hatte ich nicht gerechnet… Als Niemand hinguckte, stopfte ich das angebissen Stück schnell in meine Hosentasche (da war Marc schon mutiger). Dann fingen ein paar der Familienmitglieder an zu singen, während die Männer zu unseren Füßen ein Schaf in seine Einzelteile zerlegten. Da half nur ein kräftiges Durchatmen und weggucken. Wenig später gab es das Tier dann zum Abendbrot. Dafür wurden Steine in einem kleinen Ofen erhitzt, der vor der Jurte aufgebaut war. Die Fleischteile kamen in eine große Milchkanne, eine frische Zwiebel hinterher und die noch glühenden Steine oben drauf. Dann bruzelte das ganze für eine halbe Stunde auf der Feuerstelle. In der Wartezeit hatten sich alle auf einer Decke im Freien versammelt. Wir saßen brav daneben und beobachten das ganze Treiben. Es war schon dunkel, als das Mahl serviert wurde. Die gegarten Fleischteile wurden in zwei großen Schüsseln in die Mitte der, aus 12 Leuten bestehende Runde gestellt. Die vielen Hunde gesellten sich auch dazu und warteten auf die Reste. Etwas zaghaft suchten sich Marc und ich eine Keule (oder ähnliches) aus dem Topf und knabberten wie die anderen drauf los. Mäkelig durfte man in diesem Moment nicht sein: Das Fleisch war sehr fettig und der Geruch wollte nicht so recht aus unseren Nasen verschwinden. Am Ende wurden noch kleine Schalen mit dem übrigen Sud rumgereicht. Der war erstaunlich würzig und lecker und wir leerten unsere Portion sogar. Nach dem Essen blieben wir noch ein paar Minuten sitzen, lehnten höflich den mongolischen Wodka aus eigener Herstellung ab und lauschten dem Gesang der angeheiterten Gesellschaft. Mit diesen ganzen neuen Eindrücken zogen wir uns bald zur Nachtruhe zurück und waren ein bisschen froh, im eigenen Zelt schlafen zu können :)

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