Von Wolgograd bis Atyrau, Kasachstan


Am Montag, den 22. Juli verließen wir das Motel und nahmen unsere Fahrt Richtung Wolgograd wieder auf. Als wir nach etwa zwei Stunden die Stadt erreichten, gerieten wir, wie sollte es auch anders sein, wieder in einen Stau.
wir kämpften uns also wieder durch den dichten Verkehr, um zu dem riesigen Kriegsdenkmal zu gelangen. etwas abseits vom Zentrum suchten wir uns dann ein einigermaßen schattiges Plätzchen für unseren Twingo und liefen die letzten Meter zu Fuß um uns das beeindruckende Mahnmal zur Erinnerung an die Schlacht um das ehemalige Stalingrad im zweiten Weltkrieg. Dann fuhren wir zu einem nicht weit entfernten Einkaufsszentrum, um unseren Wasservorrat aufzustocken und vor allem in einem Café mit WiFi Hotspot unseren zweite, riesigen Blogartikel hochzuladen, den wir gemeinsam am Vorabend fertig zusammengetragen hatten und dann auf der Autofahrt nach Wolgograd ausformulieren konnten. Wir brauchten nicht lang, um in dem angenehm leeren Shoppingtempel ein verlockendes Eckchen fanden. Neben kostenlosem Wlan gab es für uns Eiskaffees und eine zucker-zucker-süße Streuselschnecke – danach war uns ein bisschen schlecht, aber für den kurzen Moment Anbindung an das große weite Netz hat es sich gelohnt. Achja, die Klimaanlage war auch ein großer Pluspunkt. die mind. 34°C gehören eigentlich nicht zu unseren Wohlfühl-Temperaturen.
Auf dem weg raus aus Wolgograd winkten uns sehr viele Russen aus ihren Autos zu und zeigten uns anerkennend ihre Daumen. Einer wollte uns sogar zum Kaffee einladen, aber wir hatten es ja ein bisschen eilig (wie immer) und ob er es ernst meinte, wissen wir auch nicht. aber es war wirklich schön, durch unsere reise so in Kontakt mit den Leuten kommen zu können. Es war schon Nachmittag, als wir die große Stadt verließen.
Nun war es an der Zeit die nächste Grenze anzupeilen. Diese lag allerdings so weit entfernt, dass wir auf halber Strecke wieder ein Hotel suchen wollten. Wir folgten den Schildern am Straßenrand in ein Dorf, um dort die versprochene Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Als wir diese 4 Straßen weiter (viel größer war das Dörfchen auch nicht) immernoch nicht gefunden hatten, fragten wir bei den Leuten der Feuerwehr nach dem Weg. Netterweise bot einer der Männer an, mit seinem Auto voraus zu fahren und uns ans Ziel zu bringen. Als er für uns bei dem ersten Motel nachfragte, schüttelte die Frau mit dem Kopf und wir sind uns ziemlich sicher „Nje Germania“ verstanden zu haben. Sind denn die Deutschen bei den Russen so unbeliebt? Beim nächsten Motel hatten wir mehr „Glück“, die Besitzerin meinte, ein Zimmer für uns zu haben, wollte aber erst unsere Passports sehen. Doof nur, dass sie erst mit dem Preis rausrückte, als sie unsere Dokumente eingezogen hatte… Natürlich versuchte sie uns, den „reichen Westeuropäern“ das Geld aus der Tasche zu ziehen und verlangte 2000 Rubel, also etwa 50 Euro für ein Zimmer, das das schlimmste werden sollte, was wir bis dahin bezogen hatten. Eine jüngere Frau, wahrscheinlich die Tochter der Chefin, präsentierte uns übertrieben freundlich unser soeben bezahltes Schlafgemach. Auf den ersten Blick erstmal ok… Trotzdem ärgerten wir uns unheimlich über den Preis. Ändern konnten wir es aber nicht mehr. Immerhin war dieses Motel auch eine Art Gaststube und so wollte ich wenigstens die Chance nutzen, typisch russisches Essen zu bekommen. Ich bestellte für Marc und mich je eine Portion Pelmeni gefüllt mit Hackfleisch und natürlich mit Saurer Sahne. Für ein besseres Verständnis tippte ich meine Bestellung sogar in das Mobiltelefon der jüngeren Frau, die diese anschließend übersetzen ließ. Achja, Smetana war saure Sahne. aber gut, nun hatte sie es auch verstanden und ging in die Küche. Zu unserer Überraschung kam sie mit zwei Portionen Hackbraten, Kartoffelbrei und Gemüsebeilage zurück… Scheinbar waren das die Sachen, die noch weg mussten und wir doofen Deutschen würden den Unterschied ja eh nicht bemerkten. Kackfrech! Ich war ziemlich genervt von den beiden Russinnen, wollte mich aber nicht mit ihnen anlegen. Bzw bremste mich Marc in der Hinsicht – wir mussten ja bereits schlechte Erfahrungen in der Ukraine mit unserem Auto machen und auf Pannen hatten wir keine Lust. Also sagte ich nur beim Abräumen der Teller in meinem besten russisch: „Das waren keine Pelmeni, trotzdem lecker.“. Die Frau lächelte nur und bedankte sich…. Was soll‘s. Wir gingen auf unser Zimmer. Dort konnte unsere Laune auch nicht erhellt werden: Aus der Dusche tröpfelte nur ein dünner Strahl und beim genaueren Umsehen, entdeckten wir überall an den Wänden riesige Spinnen. Eigentlich hatte ich keine Lust mehr, in diesem blöden Motel zu bleiben, dann kam Marc aber die Idee unser Innenzelt mitten im Zimmer aufzubauen und so verbrachten wir unsere vorerst letzte Nacht in Russland, geschützt vor den Spinnen.

Am nächsten Morgen waren wir beide ziemlich matt, da wir kaum geschlafen hatten – Die Luft in dem Zimmer war schlecht, der Boden hart und die LKWs vor dem Fenster laut. Trotzdem waren wir froh, als wir dann gegen 7 zurück auf der Straße waren. Damit Marc noch etwas die Augen zumachen konnte, übernahm ich bis zur nächsten großen Stadt das Steuer. Am frühen Mittag erreichten wir dann Astrahan, der letzte große Ort vor der kasachischen Grenze. Wir drehten eine Runde in der plättenden Hitze und gönnten uns anschließend einen Milschshake im McDonalds. Die Wahl fiel auf diesen Ort, da wir uns sicher waren, dort Wlan zu finden. Es war an der Zeit nachsehen, wie weit die anderen Teams bereits gekommen waren. Wir wollten unsere Reise durch Kasachstan bestenfalls nicht alleine antreten. Tatsächlich konnten wir mit einem Blick auf die MR-Map und dank der Statusupdates auf Facebook feststellen, dass sich einige der anderes Autos im selben Ort aufhielten. Wir tauschten ein paar knappe Nachrichten mit dem schwedischen Team Venture aus und verließen unseren Hotspot, in der Hoffnung das Team ausfindig machen zu können. Und siehe da, sie waren gerade dabei, auf den McDonalds Parkplatz einzubiegen!
Wir durften uns ihnen anschließen und wurden gleich mit einem Walkytalky ausgestattet. Dann fuhren alle zusammen im Konvoi von drei Autos (Team Venture besteht aus 4 Leuten, die in zwei Skodas unterwegs sind) aus Astrahan. In diesem Gespannt ging es nun über die Grenze raus aus Russland und nach Kasachstan. Bei der Kontrolle wirkte alles schon ein bisschen bedrohlicher, da die Grenzposten mit großen Hunden und Gewehren ausgestattet waren. Trotzdem verlief alles friedlich und wir schaffen es wieder in erstaunlich kurzer Zeit ins neue Land. (Team Venture musste bereits bei einem Grenzübergang 6 Stunden warten, während unsere längste Bearbeitungszeit bloß zwei Anspruch nahm. In Kasachstan begrüßten uns wieder regelrechte Mondlandschaften als Straßen. Bei diesen Fahrbahnen mussten wir uns bald um neue Ersatzreifen kümmern…
Über die Funkgeräte wurde immer vor den Schlaglöchern und Huckeln vom voran fahrenden Auto gewarnt, trotzdem berührte unser Twingo ein paar Mal die Fahrbahn – Auf einen Unterbodenschutz hatten wir zwecks Zusatzgewicht verzichtet. In der ersten kleinen Stadt, die auf unserer Route lag, hielten wir an, um uns mit Simkarten auszustatten. Ziel war es, einheimisches Internet nutzen zu können. Von da an waren wir also stolze Besitzer einer kasachischen Handynummer (falls uns jemand auf unserer neuen Nummer anrufen möchte: 8 (771) 392 11 18 ;) ) Vor dem Handyladen hatten sich in kurzer Zeit eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen versammelt, die wahnsinnig interessiert an uns und unseren bunten Autos waren. Auch wenn man nicht alles voneinander verstand, war es doch spannend sich mit den Jungs zu unterhalten. Es wurden noch Fotos geknipst und Jonas vom Team Venture tauschte sogar E-Mail Adressen, auch mit dem Kleinsten der Gruppe, aus (Jetzt, wo wir wieder Internet hatten). Uns wurde noch lange hinterher gewunken, als wir weiter fuhren. Die Sonne war bereits dabei unterzugehen, als wir in eine sandige Seitenstraße einbogen. Unser Ziel war es, das Lager am Kaspischen Meer aufzuschlagen. Die Straße, eher der Weg, führte uns überraschenderweise direkt durch ein Dorf, vorbei an grasenden Kamelen und Ziegen und winden Bewohnern. Wieder hatte sich ganz schnell eine Meute Kinder zusammengefunden, die freudig winkend und rufend ein Stückchen neben den Autos herliefen. Es ist einfach fantastisch wie freundlich uns die ganzen Leute gegenüber sind, obwohl wir völlig Unbekannte durch deren Dorf kurven. Ein Stück hinter den Häusern mit Blick auf das Meer bauten wir unsere Zelte auf. Lange blieben wir nicht in unserer Gruppe. Die Dorfbewohner, die gerade vom Fischen nach Hause fuhren oder andere, die uns von Weiten entdeckten, kamen neugierig vorbei. Zum Abendbrot gabs Tütennudeln, mit Liebe zubereitet vom Team Venture. Nach dem Essen war es nur noch eine Frage der Zeit, als wieder umringt waren von der gesamten Dorfjugend, die unsere Gruppe von 6 Leuten locker vervierfachte. Am Anfang war wirklich sehr witzig in dieser großen Runde, aber irgendwann waren wir auch alles sehr müde und wollten einfach nur noch ins Zelt verschwinden. Als die kasachischen Jungs dann aber feststellten, dass unser Bier und die Zigaretten alle waren, trollten sie sich bald wieder. Obwohl die 17-24 Jährigen (auch schon bevor sie zu uns kamen) ziemlich angetrunken waren, setzten sie sich in ihre Autos und über die Sanddünen zurück ins Dorf. Ganz geheuer war uns das nicht und Marc und ich rückten unser Zelt noch näher an unser Auto, falls sich auch nachts Jemand überlegt, an unserem Lager vorbeifahren zu müssen. Tatsächlich wurden wir gegen 3:00 von Motorengeräuschen geweckt. Dabei blieb es dann aber auch. Als der nächtlich Besucher nochmal sein Auto abgewürgt hatte, fuhr er auch schon wieder und es blieb bis zum Morgen ruhig.

Das war also unsere erste Campingübernachtung (Die Czeck out Party mal ausgelassen). Bisher hatten wir es immer vermieden allein irgendwo am Straßenrand zu zelten und suchten uns deshalb immer ein Hotel. Aber mit unseren vier neuen Begleitern war das nun kein Problem mehr. Generell war das Reisen in einer Gruppe nun viel besser. Vor allem, nachdem besonders Marc von der ersten Woche etwas enttäuscht gewesen war…
An diesem Mittwoch, den 24. Juli, hielten wir uns eigentlich den gesamten Tag in der Stadt Atyrau auf. Das lag daran, das eins der Venture-Autos ein Problem mit der vorderen linken Radaufhängung hatte und es vernünftig war, eine Werkstatt aufzusuchen. Noch bevor wir aber in der Stadt ankamen, trafen wir ein weiteres Mongol Rally Team, dass sich unserer Gruppe anschloss. Derzeit besteht also unser Konvoi aus 4 Autos mit 3 Schweden und einem Amerikaner (gehörend zum Team Venture), zwei Niederländern mit dem Teamnamen Bonné&Jan und uns, dem Team Saxolia (oder beim Funkverkehr zwischen den Fahrzeugen nur „Twingo“). So wohnten wir also an diesem Tag regelrecht in dem VW-Autohaus, warteten auf die fertige Reparatur, kühlten uns an deren Klimaanlagen und investierten einige unserer kasachischen Tenge in kühle Limonade aus der Mitarbeiterkantine. Auch hier waren die Leute wieder super nett und hilfsbereit. Während die einen nach gewisser Wartezeit ein Nickerchen auf den Sofas in der Werkstatt machten, kümmerten sich Marc und ich um neue Ersatzreifen. Es war schwerer als gedacht, die richtige Reifengröße zu finden. Auf einem Autobazar sollten wir laut eines Autohausmitarbeiters die besten Chancen haben. So war es dann auch, aber wieder verbunden mit langem Warten und Verständigungsproblemen. Immerhin hatten wir in der Zeit mindestens 10 weiteren Kasachen unser Vorhaben mit Hilfe der super Karte auf unserer Heckscheibe erläutern können. Die kaputten Reifen ließen wir mit ruhigem Gewissen vor Ort und düsten mit unserem neuen Dachgepäck zurück zur Werkstatt. Zum Glück wurden die Automechaniker rechtzeitig mit der Reparatur des Venture-Skodas kurz vor Feierabend fertig. Weit sind wir an diesem Tag zwar nicht gekommen, aber gemeinsam wartet, isst und zeltet es sich doch einfach besser! Nach einem fixen Lebensmitteleinkauf fürs Abendbrot und dem Auffüllen der Autotanks (wir mussten nun jede verbleibende Tankstelle nutzen, die noch 95-er Benzin anbietet, da diese auf der weiteren Fahrt aussterben werden) verließen wir Atyrau. Für die Schlafplatzsuche ging es Querfeldein durch die staubige, karge Landschaft. Als die Hauptstraße nur noch ein dünner Streifen am Horizont war, stoppten wir unsere eingestaubten Autos und präparierten unser Lager für die nächste Nacht unter freiem Himmel. Zum Abendbrot gab es leckere Nudeln mit Bolognesesoße und frischem Salat – WOW. Als wir dann alle satt waren, der Vollmond über uns schien und wir keine Lust mehr hatten, mit den überaus aggressiven Mücken zu kämpfen (wie auch immer die in dieser staubtrockenen Gegend ohne Wasser überleben konnten), ging jeder in sein Zelt.

In diesem Moment fahren wir durch die immer karger und brauner werdende Landschaft Kasachstans (über erstaunlich fantastische Straßen) auf die Ukrainische Grenze zu, die wir hoffentlich Heute noch passieren werden.

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